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25.12.2018

Das Buch zum Film

Epos oder Eros? Welche Frage, selbstverständlich allein Ersteres! Das sei ihr ausschließliches Bestreben, ihr bloßes Sinnen und Trachten, wollen uns die männlichen Literaten seit eh und je weismachen. Vorgegaukelter Idealtypus ist der bubihafte, windelweiche Joachim Król als Jakob Windisch, dessen einzige Ausschweifung - trotz 300 Mio. Weltauflage - darin besteht, im Hinterstübchen des „Rossini“ täglich einen Teller Gnocchi zu verspeisen, und der, den angedienten hochwertigen GV verschmähend, stattdessen für die Ewigkeit die ehernen Worte in Stein stammelt: „Ich will nichts erleben, ich bin Schriftsteller. Ich schreibe, ich lebe nicht.“ Diese für Propagandazwecke gefakete Kunstfigur begründete den unausrottbaren Mythos, dass die blässlichen Literaten in ihrem weltabgeschiedenen Elfenbeinturm die reinsten Unschuldslämmer seien. Äußerstenfalls lägen sie der hehren Minne ob, in ewig reiner, platonischer Verehrung ihrer unerreichbaren Herzensdame sich verzehrend, auf dem Parnassus ätherisch entrückt, im Musenhain die Klampfe zupfend, tandaradei! Gleich Jakob mit Serafina spielen selbst die belanglosesten Paperback-Writer sich als direkte Nachfolger von Dante, Petrarca und Boccaccio auf, Beatrice, Laura und Fiammetta vergöttlichend. Sie selbst aber seien Opfer weiblicher sexueller Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung. Auf der anderen Seite die ewigen Bösewichter: Filmproduzenten und Regisseure, personifiziert durch Oskar Reiter und Uhu Zigeuner, dargestellt von den beiden Testosteron-Titanen Heiner Lauterbach und Götz George, die alle mal das verführerische Schneewittchen, verkörpert vom ewigen Männertraum Veronica Ferres, kosten wollen.

Das Land der vergeistigten, allem Irdisch-Fleischlichen abholden Dichter und Denker - von wegen. Ein Blick in einen weiteren Film belehrt uns eines Besseren: „Die Braut“. Unser Literatur-Titan Johann Wolfgang Goethe vernascht ohne Anlaufzeit in seiner Gartenlaube die burschikose Christiane Vulpius (natürlich Vroni), als sie ihm lediglich einen Brief bringen will, und macht sie fortan zu seinem „Bettschatz“. Das ist die nackte Realität! Tatsächlich fühlen sich alle männlichen Schriftsteller als vor Virilität strotzende Kraftmenschen voller Sturm und Drang - und benehmen sich auch so. Die enthemmten Tinten-Spritzer meinen, nun sei die Zeit reif für den Tabubruch, jetzt könnten sie die Biedermann-Maske fallen und die Hosen runter lassen: Auf der Rückseite des Festivalmagazins zum „Göttinger Literaturherbst 2018“ wird in einer Annonce von „NDR Kultur“ Klartext geredet: Neben dem Foto eines eitlen, total obercoolen Möchtegern-Götz-George (Männer mit Händen in der Hosentasche sehen aus wie Klein-Doofi, der sich einen runterholt), mehr als doppelt so alt wie er erscheinen möchte, prangt die Losung „Vorlesen - Verführen - Entführen“. Will sagen: Die Leserinnen und Leserinnen werden für sexuelles Freiwild gehalten und entsprechend behandelt. Die Frau als solche wird mithilfe der Belletristik eingelullt und zum willenlosen, jederzeit verfügbaren Lustobjekt degradiert. Sogar dem Frauenhandel bis hin zur Zwangsprostitution wird schamlos das Dichterwort geredet.

Der Literaturherbst des Patriarchen - jetzt ist offenbar geworden, was die vorgeblich allein auf geistigen Lustgewinn erpichten Buchmacher tatsächlich im Schilde führen: Sex-Literatourismus.

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(25.12.2018)

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