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3.12.2017

„Die“

Welch Herkulesarbeit, diesen Augiasstall auszumisten. Der Säuberungs-Tsunami wälzt sich heran mit voller Wucht, und nach den Hollywood-Größen kommt nun Otto Normalsexist an die Reihe. Über sämtlichen Männchen der Gattung Mensch hängt jetzt das Damoklesschwert, jeder liegt bereits mit seiner einseitig fixierten Birne unter der Guillotine, irgendwas wird sich schon finden, die Jagd ist auf. Endlich wird wahr, was 1987 die wunderbare Carol Decker mit ihrer Gruppe „T'Pau“ im Lied „Monkey House“ weissagte: „In the healthy, wealthy state of Mental Hygiene/we will teach you how to think a clean way./There'll be no more dirty looks/and no more dirty books./We're gonna wash you whiter than white./We clean up in the Monkey House.“

Auch unsere mit weitem geistigem Horizont gesegnete und vom belebenden Wind der Liberalität und Weltoffenheit durchwehte Universitätsstadt Göttingen ist vom Affen gebissen und gibt ihm Zucker. In diesem heroischen Kreuzzug ficht sie an vorderster Front: nichts Unsittliches sehen, hören, sagen. So wurde unlängst eine Ausstellung mit Bildern der Zeichnerin Marion Vina wegen Ferkelei aus der Mensa vertrieben und die Künstlerin an den Pranger gestellt - Göttinger Sieben reloaded:

Quelle: www.sn-online.de/Nachrichten/Fotostrecken-Nachrichten/Kunstdebatte-in-der-Uni-Goettingen

Doch es bleibt noch viel zu tun; wohin wir uns auch wenden: Sexismus allerorten. Da gibt es z. B. die Werbung einer hiesigen Bäckerei:

Ich darf wohl annehmen, dass Ihre schmutzige Fantasie hinreicht, um zu deuten, worum es hier tatsächlich geht. Man beachte ... pardon: Beachten Sie zudem das anmacherisch tiefe Dekolleté, fast so hammahart wie eine Parship-Reklame. Und warum hat die Frau beim Essen nicht die Hände auf dem Tisch? Wahrscheinlich gefesselt. Es ist schier unerträglich, wie hier der Mann als solcher zum croissantgesteuerten Lustsubjekt degradiert wird.

Oder das Plakat der Göttinger Glühwein-Gyros-Wucherwochen (vulgo Weihnachtsmarkt):

Dem ersten Anschein nach handelt es sich um einen glorreichen Sieg der Frauenbewegung: Die Männerdomäne Weihnachten (siehe oben) ist weiblich erobert. Aber warum ist die Weihnachtsfrau jung, attraktiv, beschwingt? Warum kommt sie nicht stattdessen daher wie der Weihnachtsmann: alt, fett, hässlich, dumpfbackig, lächerlich, bräsig? Bei genauer Betrachtung vermitteln der aufreizend splitternackte Ellbogen und der unverhohlene Fick-mich-Blick eine eindeutig zweideutige Aussage, deren Anzüglichkeit nicht zu überbieten ist. Da gipfelt die weihnachtliche Be-Sinnlichkeit in einem Höhepunkt ganz eigener Art.

Ich muss mich allerdings auch zumindest an die eigene Nase fassen und zerknirscht Selbstkritik üben:

Dieses heimische Stillleben ist ein trügerisches Idyll, dessen Analyse bereits 1970 die brillante Melanie Safka kurz und knackig in ihrem Lied „Psychotherapy“ lieferte: „A thing is a phallic symbol if it's longer than it's wide.“ Die steif aufgepflanzte Spülbürste ist das männliche Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument schlechthin: Sie signalisiert auf hinterfotzige Weise, dass den Frauen - allen wohlfeilen männlichen Lippenbekenntnissen zum Trotz - der Zugang zur Küchenarbeit weiterhin verwehrt wird. Ihr ureigenstes Element, dieses Machtmonopol wollen die Männer für sich allein behalten, hier können sich die unersättlichen Leckermäulchen hemmungslos austoben und lassen nichts anbrennen: mal bis zum Überkochen; mal als pikante Pfefferpfanne, dass es nur so zischt und spritzt; mal durch die kalte Küche. Die natürliche Bestimmung des Weibes sei es hingegen, sich vom Macho-Schwein, sobald er mit hämischem Grinsen seine Kittelschürze öffnet, als willfähriges, stets verfügbares Objekt der Triebabfuhr benutzen zu lassen. Männer wollen eben immer nur das Eine: erst abwaschen, dann vernaschen.

Was von Männern im Allgemeinen zu halten ist, erkannte schon 1980 die geniale Carly Simon in ihrem Lied „Them“: „They want you all body and soul/then it's just your body/then they go.“ Und zieht daraus den einzig plausiblen Schluss: „They are aliens.“ (Eine gewisse Existenzberechtigung gesteht sie ihnen in demselben Album dennoch zu: „Jesse“, „James“, „Come upstairs“, „The Three of us in the Dark“.) Kluge Menschen, die das Gras wachsen und die Flöhe husten hören, mutmaßen, dass sich infolge der Sexismus-Debatte das Männerbild grundlegend ändern werde. Mag sein - die genetische Programmierung des alten Adam jedenfalls nicht. Da hilft nur eines: als Mann souverän sein und Vernunft, Anstand und Würde an den Tag legen.

Wir sollten die Menschenwelt weder von Männerärschen noch von politisch korrekten Ideologen und -innen beherrschen lassen. Es lebe der Sexysmus!

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(5.12.2017)

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