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21.11.2018

Eierkopfmann

Sprachführer befiehl, wir folgen dir! In einem Pressegespräch¹ am 23. Mai (ausgerechnet am Verfassungstag) proklamierte der Berliner Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch sein Grundgesetz der politisch korrekten Sprache. Auf inhaltlich und stilistisch korrekte Sprache legt er hingegen weit weniger Wert: In schier endlosen, verworrenen, unstrukturierten Sätzen, die unmittelbar auf die zugrunde liegende wirrköpfige Denkweise schließen lassen, will er uns eintrichtern, wie wir uns politisch korrekt auszudrücken haben, um niemanden zu diskriminieren. Idiot, Schwachkopf. So darf man laut Stefanowitsch nicht mehr über Idioten und Schwachköpfe sprechen, denn diese Wörter haben einen „medizingeschichtlichen Hintergrund“, wodurch man sich der Behindertenfeindlichkeit schuldig macht.²

Stefanowitschs Einlassungen sind wie Kraut und Rüben: Für die verbreiteten „Abwehrreflexe“ gegen die Forderung nach politisch korrekter Sprache nennt er 2 Gründe: „Zum einen gibt es Leute, die wollen ganz einfach ihre Diskurshoheit nicht aufgeben. Das ist vor allen Dingen immer die Gruppe, die selber nicht diskriminiert werden kann. [...] Dann gibt es sicher eine zweite Gruppe [...] Die kommt nie in die Verlegenheit, selber diskriminiert zu werden.“ Der zweite Grund ist identisch mit dem ersten.

„Ich glaube, es gibt dort Leute, die sind der Meinung, sie haben das Recht, über andere Gruppen zu entscheiden, wie über die gesprochen wird, also nicht nur, mit welchen Begriffen, sondern auch mit welchen Inhalten, und die möchten sich das nicht wegnehmen lassen.“ Er will also anderen Menschen das Recht absprechen, bestimmte Inhalte zu äußern. Ihm ist natürlich klar, dass er dadurch die Meinungsfreiheit beschneiden würde. Also schlägt er im nächsten Absatz einen tollkühnen Haken, um diesen Eindruck zu kaschieren - und plappert sich um Kopf und Kragen: „Die Redefreiheit, die besagt ja zunächst, dass ich meine Meinung äußern darf, dass ich die Inhalte äußern darf, die ich äußern möchte, und die gilt natürlich auch für Menschen, die rassistische Meinungen haben. Wenn ich ein Rassist bin oder eine Rassistin und ich möchte diese Meinung äußern, dann darf ich das ja tun.“ Ja, was denn nun: Man darf sich - O-Ton Stefanowitsch - „einfach nur allgemein rassistisch äußern“, aber bitte in politisch korrekter Sprache?

Megaalbern ist natürlich die Doppelung „Rassist oder Rassistin“. Warum tut er das? Weiß er nicht, ob er Männlein oder Weiblein ist (oder was es sonst noch alles gibt heutzutage)? Nein, sondern weil es sich ohne das zusätzlich Wort Rassistin um das „Verstecken von bestimmten Geschlechtern in der Sprache“ handeln würde, denn Frauen würden „für weniger wert“ gehalten, wenn „wir sie einfach sprachlich ausblenden“. Um also Frauen Wertschätzung entgegenzubringen, darf nicht allein von Rassisten gesprochen werden, sondern es sind ordnungsgemäß auch Rassistinnen zu erwähnen. Stefanowitsch, jetzt reicht's aber! Wenn Sie sich selbst hemmungslos der Lächerlichkeit preisgeben wollen: Nur zu! Aber bitte diskreditieren Sie durch Ihr Geschwafel nicht die legitimen gesellschaftlichen Anliegen der Frauen. Eigenartig ist übrigens, dass das Wort „Rasse“ inzwischen von den Stefanowitschs aller Länder als pfui gebrandmarkt ist, sie selbst aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit von „Rassismus“ sprechen.

„Es ist ja keine Asymmetrie. Es ist ja nicht so, dass, wenn für die eine Gruppe ein diskriminierendes Wort vorhanden ist, für die andere Gruppe ein ähnlich diskriminierendes Wort vorhanden ist.“ Ach ja, immer diese verflixten ausländischen Fremdwörter! Auch wenn Stefanowitsch „Asymmetrie“ zum Gräzismus des Jahres küren würde - der Satz ist und bleibt Mumpitz. Er muss entweder lauten: „Es ist ja keine Symmetrie“ oder „Es ist ja eine Asymmetrie“. Auch inhaltlich ist diese Aussage durchaus nicht unoriginell, sie bedeutet Folgendes: Zum Beispiel „Neger“ (fällt mir gerade so rein zufällig ein) ist ja das Unwort par excellence (obwohl es lediglich „Schwarzer“ bedeutet). Wenn nun aber einige Schwarze und Schwarzinnen auf die nahe liegende Idee kommen, Weiße als „Blanco“ zu bezeichnen (oder „Blankenese“?), dann wäre Symmetrie hergestellt, sodass „Neger“ zulässig wäre - 1:1 unentschieden. Inzwischen keimt in mir ein wilder Verdacht: Stefanowitsch meint diesen unsäglichen Quatsch gar nicht ernst, sondern er ist ein Schalk, ein Eulenspiegel, der sich über die Menschen lustig macht, weil sie auf sein Kommando willfährig und gehorsam das Gehirn ausschalten und sich von ihm auf die Schippe nehmen lassen.

Die Privilegierten sind an allem schuld, will Stefanowitsch uns einhämmern: Geradezu manisch stellt er „Leute in einer außergewöhnlich privilegierten Position“, „die Gruppe, die selber nicht diskriminiert werden kann“, „die kommt nie in die Verlegenheit, selber diskriminiert zu werden“, als die Hauptschuldigen des Infernos politisch inkorrekter Sprache an den Pranger. Dies spricht von gefestigtem Klassenbewusstsein, aber es gibt auch noch eine Welt außerhalb seines künstlichen Biotops der promovierten und habilitierten, idealerweise staatlich alimentierten gehobenen Mittelschicht. Wo ordnet er Unterschichtlinge ein, die auf Einwanderern, Flüchtlingen, Juden u. a. herumhacken? Die Behauptung, es gebe eine Gruppe, die niemals diskriminiert werden könne, halbgottgleiche, unverwundbare Übermenschen, womit er im Wege der unbewussten Projektion sich selbst meint, spricht lediglich von seinem Hochmut und Größenwahn - und gleichzeitig von seiner Verbitterung darüber, dass es ihm in einem demokratischen, pluralistischen System dennoch verwehrt ist, andere Menschen zu zwingen, ihre „Diskurshoheit aufzugeben“ (die er stattdessen für sich und seinesgleichen beansprucht). Diese Gruppe „möchte sich keinesfalls vorschreiben lassen, wen sie wann wo und wie diskriminieren darf“, nörgelt er. Dieser Satz ist exemplarisch für seine krausen Gedanken: Demnach wäre Diskriminierung grundsätzlich zulässig, sofern sie nur auf Vorschriften beruht (die natürlich von den durch und durch autoritär strukturierten Stefanowitschs ausgegeben werden). Im Übrigen, Herr Prof. Dr. Sprachwissenschaftler: „Selber“ ist umgangssprachlich, stilistisch korrekt ist „selbst“. Und noch etwas: Erwarten Sie allen Ernstes, dass ich jemanden ernst nehme, der mit wissenschaftlicher Attitüde den „Anglizismus des Jahres“³ kürt und kalt lächelnd behauptet, das Wort „Influencer“ (eine belanglose Bezeichnung für eine noch belanglosere Sache) sei eine Bereicherung der deutschen Sprache und schließe eine lexikalische Lücke im Wortschatz?

Die Journalistin setzt noch eins drauf und belehrt uns, um politisch korrekt zu sprechen, dürfe man das N-Wort nicht sagen. Du meine Güte, soll sich mal nicht so anstellen. Ich habe schon immer „Nutte“ gesagt („Prostituierte“ ist doch viel zu umständlich). Folgerichtig ist neuerdings auch das F-Wort verpönt: Flüchtlinge. „Das Wort Flüchtling selber [sic!], das im Prinzip eigentlich neutral ist“, sei „so negativ aufgeladen“, doziert Stefanowitsch. Die Konsequenz seines Gedankengangs verkneift er sich wohlweislich: Natürlich traut er sich nicht, zu behaupten, das Wort Flüchtling dürfe nun nicht mehr verwendet werden. Hier wird ihm doch allmählich bewusst, wie hanebüchen seine Sichtweise ist und dass er sie unideologisierten, geistig souveränen, unautoritär strukturierten Menschen nicht unterjubeln kann. Des Weiteren instruiert uns die Journalistin, man dürfe nicht von Behinderten sprechen, sondern ausschließlich von behinderten Menschen (was inzwischen schon in die Gesetzessprache eingeflossen ist). Demzufolge muss man nun Katholiken als katholische Menschen, Beamte als beamtete Menschen, Spaziergänger als spaziergehende Menschen, Politiker als politische Menschen (schön wär's), Jugendliche als jugendliche Menschen, Sexsüchtige als sexsüchtige Menschen bezeichnen - und Idioten als idiotische Menschen. Auch stilistisch ist sie mit Stefanowitsch auf einer Linie: Sie wolle mit ihm das Thema durchdeklinieren. Wer solche schicken, trivialen, hohlen Modefloskeln wie „durchdeklinieren“ in den Mund nimmt (fehlt bloß noch „verorten“), hat jeglichen Anspruch verwirkt, ernst genommen zu werden.

So weit, so schlecht - Schwamm drüber. Überaus Amüsant ist jedoch, dass der Stefanowitschismus inzwischen sogar den konservativen Block indoktriniert hat, woraufhin dieser sich zum glühenden Verfechter der politisch korrekten Grundordnung aufschwingt: Nur zwei Tage zuvor gab Markus Grübel (CDU), erster Inhaber des neuen Amts des „Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit“, kund und zu wissen, Alice Weidel bereite den Nährboden für feindselige Handlungen gegenüber Muslimen, wenn sie abfällig von „Kopftuchmädchen“ spreche, wie am 16. Mai im Bundestag geschehen, womit er unausgesprochen meint, das Wort „Kopftuchmädchen“ dürfe nicht verwendet werden. Was aber ist Verwerfliches an diesem Wort? Schirmkappenmädchen, Pudelmützenmädchen, Sonnenhutmädchen, Kopftuchmädchen - na und? Kochtuchmädchen, Kopfhörermädchen, Kopfduttjunge. Genauso brechreizend wie der Anblick Kopftuch tragender Frauen ist mir derjenige Kopfhörer tragender Leute und Dutt tragender Männer. Sind diese Wörter, nun, da ich sie in meinem maßlosen, pathologischen, geradezu militanten Hass auf Duttträger und Kopfhörerträger (und -innen, immer politisch korrekt!) geäußert habe, auf ewig in die Negativliste der Stefanowitschs gelangt? Ist die Bezeichnung „Stefanowitschs“ nun auch verpönt, weil den Stammtisch der politisch korrekten Gutmenschen diskriminierend? Ist die Bezeichnung „Jude“ jetzt ebenfalls tabu, weil sie von Antisemiten - unter anderem in der Kopftuchfraktion - als Schimpfwort und Beleidigung verwendet wird? Wenn ich sehe, wie Asis jedweder Schichtzugehörigkeit ihre Zigarettenkippen auf den Boden werfen, rufe ich ihnen zu: „Sie haben etwas verloren, Sie Raucher!“ Führt die Bezeichnung „Raucher“ für Raucher nun dazu, dass der Misokapnos-Mob unter den Nikotinsüchtigen ein Blutbad anrichtet? (Und bitte vorher mit glühenden Zigaretten foltern!) Darf dieses Wort deshalb künftig nicht mehr verwendet werden? Was wäre, wenn ich strenggläubige islamische Einpeitscher und Demagogen als Influencer bezeichnen würde: Wäre diese „Bereicherung der deutschen Sprache“ fortan verwerflich?

Die politische Diskussion wird zunehmend einerseits von Demagogen und andererseits von Stefanowitschs geführt. Beide Seiten erwarten, dass der Rest der Menschheit die Hacken zusammenknallt und ihnen widerspruchslos gehorcht. Zwischen diesen Extremisten werden Vernunft, Freiheit und geistige Souveränität zerrieben - Deutschland wird immer mehr zum Albtraum. Unser Land hat ein klitzekleines Problem: Wir sind alle total verdreht; wir wissen nicht mehr, was richtig und angemessen, wo vorn und hinten, wo oben und unten ist; wir haben jegliche Orientierung und alle Maßstäbe verloren; wir sind verbohrt und verbiestert, uns sitzt die Wut im Bauch und die Angst im Nacken. Das ist der ideale Nährboden und Austragungsort für Scharlatane aller Couleur: Salafisten, Nationalisten, politisch Korrekte u. v. a. m.

Ach, nebenbei, Herr Grübel, eine politische Korrektur: Das Kopftuch ist nicht Ausdruck „religiöser Überzeugung“, sondern einer zutiefst reaktionären, rückschrittlichen, fortschrittsfeindlichen, antirepublikanischen, antipluralistischen Einstellung.

Aber gut, ich will mich denn doch nicht dem Zeitgeist verschließen: Ich verwende das Wort „Kopftuchmädchen“ nicht. Stattdessen eine Bezeichnung, welche die Sache viel besser trifft: Kopftuchtussi.

¹www.deutschlandfunk.de/diskriminierende-sprache-es-gibt-leute-die-wollen-einfach.694.de.html?dram:article_id=418485

²Siehe auch: Idiotensicher

³Deutscher Wortschwatz extended

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(22.11.2018)

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