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11.4.2017

Homöopathologisch

Kommt ZEIT, kommt Rat: In der Ausgabe vom 30. März enthüllt der Leitartikel, worauf am vorherigen Sonntag das Saarland-Debakel der SPD beruhte: Nur weil unser aller Erlöser Martin Schulz schon vor der Landtagswahl ohne Arg und Falsch das „Go“ zur blutrot-roten Koalition gegeben hatte, nutzten hinterfotzige Wähler, die keinen Bock auf PDS haben, diesen Informationsvorsprung skrupellos aus, indem sie sich noch in letzter Minute entschlossen, nicht SPD zu wählen. Na, das ist doch folgerichtig und vorbildlich für die Bundestagswahl, nicht wahr? Quatsch, das ist die eindimensionale Sichtweise von Kleinkarierten, die nur an sich selbst denken und darüber das große Ganze (also die SPD und ihre Lichtgestalt) außer Acht lassen. Der Artikel arbeitet präzise heraus, wie komplex die Problematik tatsächlich ist: Auf seiner Odyssee ins heimatliche Kanzleramt, aus dem die SPD so viele entbehrungsreiche Jahre verbannt ist, hat sich unser tragischer Held Martin zwischen Szylla und Charybdis manövriert: Den vernünftigen SPD-Wählern darf er nicht sagen, dass er eventuell mit der PDS koalieren wird; den linken Spinnern unter den SPD-Wählern darf er nicht sagen, dass er eventuell nicht mit der PDS koalieren wird. Da benetzen heiße Tränen tiefsten Mitleids meine Backen ob so viel menschlicher Zerrissenheit. Womit hat er bloß solch ein doofes Volk verdient - das ist echt ungerecht! Obendrein mangelt es dem engstirnigen, egoistischen Volk, dessen einzige Richtschnur lautet: „Hauptsache, uns geht's gut!“, an jeglichem Verständnis dafür, dass am 24. September nicht sein eigenes Wohl und Wehe zur Debatte steht, sondern ausschließlich dasjenige der SPD, die den legitimen Anspruch hat, nach all den Großen Koalitionen endlich aus der „babylonischen Gefangenschaft“ der CDSU zu entkommen, wie es der Vize-SPD-Vorsitzende Ralf Stegner bereits 2014 als Rechtfertigung der PDS-SPD-Grünen-Koalition in Thüringen verlautbarte.

Das Schöne an der Demokratie ist ja die Mannigfaltigkeit der Alternativen. So auch hier: Wer eine PDS-Kollaboration wünscht, muss SPD wählen. Wer es ablehnt, dass die multipel umbenannte SED in die Bundesregierung gehievt wird, muss hingegen SPD wählen - denn „je stärker Schulz und die SPD werden, desto ...“ hm tja, irgendwie schöner, besser, gesünder ... also ehrlich gesagt, verstehe ich den dritt- und vorletzten Satz des Artikels überhaupt nicht. Jedenfalls dürfte die SPD für diese kostenlose Wahlwerbung dankbar sein, die im Klartext schlichtweg aussagt: Leute, macht es nicht wie die Saarländer, sondern wählt auf Deubel komm raus SPD, denn je höher deren Wahlergebnis, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nicht mit der ekligen PDS einzulassen braucht, sondern es stattdessen für eine Koalition mit den Grünen reicht. Oder wenigstens für eine Ampel (die dann während der kommenden 4 Jahre permanenten Kreisverkehr in Stop-and-Go verursachen würde). Ein solch haarsträubender Mumpitz wie eine SPD-Grünen-FDP-Koalition kann im Übrigen nur ein misslungener Aprilscherz oder Fake-News sein (oder die verzweifelten Halluzinationen Ertrinkender).

Der Ratschlag, ein Problem zu bereinigen, indem nicht Gegenmittel verabreicht, sondern der Auslöser des Problems gefördert wird, ist in der Medizin ein alter Hut, stellt in der Politik aber eine echte Innovation dar und sollte auch in anderen Lebensbereichen Anwendung finden:

Angenommen, Sie betreiben eine Pizzeria, und branchentypisch unterhält ein Fachbetrieb für Schutzgelderpressung intensive Geschäftsbeziehungen mit Ihnen. Wenden Sie sich an die Polizei, um dem Unwesen ein Ende zu bereiten? Falsch! Vielmehr zahlen Sie freiwillig das Doppelte, um die Ehrenwerte Gesellschaft bei Laune und davon abzuhalten, Ihren Laden zu Kleinholz zu zerlegen und Ihnen die Ohren abzuschneiden.

Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber unterstellt, Sie sind verheiratet. Obendrein ist Ihr Ehegatte von Verschwendungssucht besessen, sodass Ihnen die unbezahlbaren Rechnungen bis zum Halse stehen. Versuchen Sie, ihn zur Sparsamkeit zu bekehren, sperren Sie das Konto, lassen Sie sich scheiden? Alles falsch! Vielmehr greifen Sie zum Mittel der positiven Verstärkung in Form Goldener Kreditkarten, erhöhen seine Konsumfreudigkeit, indem Sie ihm die konjunkturfördernde Wirkung seines Tuns vor Augen führen, und schmeißen selbst das Geld mit vollen Händen zum Fenster raus. Sobald Sie dann eine Bruchlandung in die Privatinsolvenz hingelegt haben, sind Sie aller Schulden los und ledig.

Angenommen, Sie befinden sich auf einer feuchtfröhlichen Party. Einer der sturzbetrunkenen Gäste beabsichtigt, den Heimweg anzutreten, und zwar mit dem eigenen Auto. Was tun Sie? Reden Sie ihm gut zu, um ihn zur Vernunft zu bringen, konfiszieren Sie den Zündschlüssel, zerstechen Sie mit Bowlepieksern die Reifen? Nein, alles falsch! Vielmehr füllen Sie ihn zusätzlich so lange mit Hochprozentigem ab, bis er eine Alkoholvergiftung bekommt. Dann braucht er nicht mehr nach Hause zu fahren.

1980 veröffentlichte der frühere Pardon- und Titanic-Karikaturist Chlodwig Poth ein satirisches Buch mit dem Titel „Wie man das Volk vertritt - Szenen aus dem Leben eines Bundestagsabgeordneten“. MdB in spé Martin Schulz ist berufen, eine zeitgemäße, kongeniale Fortsetzung zu schreiben: „Wie man das Volk verarscht - Szenen aus dem Leben eines Kanzlerkandidaten“.

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Siehe auch:
Geier Schulzflug

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