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4.3.2020

Bei Hofe

Nicht für das Leben, sondern für den Schulhof lernen wir - escht voll krass polyglott. Seit Jahren wird beschworen, wie essenziell umfassende Fremdsprachenkenntnisse für die Zukunftsfähigkeit unserer Jugend sind, nun endlich haben die Appelle Wirkung: Migrantenkinder*innen zeigen den deutschen PISA-Luschen*innen, was eine Harke ist, indem sie auf dem Schulhof nicht Deutsch, sondern in ihrer Muttersprache parlieren. Doch diese autodidaktische Lehrplanüberfüllung wird von der Schulbürokratie nicht gewürdigt, sondern blockiert; statt dafür Sternchen zu vergeben, will sie es gar untersagen. So wird jegliche in der globalisierten Welt unerlässliche Multilingualität im Keim erstickt. Ist es etwa verboten, auf dem Schulhof mathematische Aufgaben zu lösen und für Deutsch-Leistung ein Faust-II-Handout zu lesen? Na also! Jetzt aber formiert sich Widerstand gegen die staatlich verordnete Sprachlosigkeit: Prof. Dr. Heike Wiese, Germanistin an der Berliner Humboldt-Universität, fordert: Schluss mit dem Altsprech - neue Sprachen braucht das Land! Ihr durchschlagendes Argument für die babylonische Sprachverwirrung auf dem Pausenhof: Nicht Deutsch zu sprechen zeuge von Kompetenz, und auf dem Schulhof werde ohnehin anders Deutsch gesprochen als im Unterricht, also sei es überflüssig: „Wenn ich mich abends beim Bier mit Freunden hinsetze und so spreche wie ich jetzt im Radiointerview, dann gucken die mich seltsam an“ - gucksdu, quod erat nostradamus. Diese Beweisführung passt zwar hinten und vorne nicht, aber egal - Hauptsache, der Stammtisch der politisch korrekten Gutmenschen kann sich auf die Schenkel hauen und zustimmend rülpsen - vor allem zu einem rührend entlarvenden Ausrutscher: In Deutschland geborene Kinder seien der deutschen Sprache „ausgesetzt“.

Was Alkoholisten recht ist, ist Schulhofkiffern billig. Naivlinge könnten jedoch zu bedenken geben: Es ist schlichtweg stillos und illoyal, als Einwohner eines Landes in der Öffentlichkeit nicht die Landessprache zu sprechen, sondern sich wie peinliche Malle-Touris zu benehmen. Und wo bitte bleibt die Inklusion? Es ist zumindest unhöfisch, pardon: unhöflich, Mitschüler sprachlich auszugrenzen, statt sie zu integrieren, gar in ihrer Anwesenheit über sie zu reden, ohne dass sie es verstehen. Alles völlig falsch, umgekehrt wird ein Schuh draus: Nicht Türkisch, Arabisch, Farsi, Paschtu und Tigrinya zu können ist heutzutage der blanke Rassismus. Andererseits hat es den unbestreitbaren Vorteil, dass einem erspart bleibt, all das mitanhören zu müssen, denn es ist wiesenschaftlich, pardon: wissenschaftlich bewiesen, pardon: belegt, dass 95 % all dessen, was die Exemplare der Gattung Mensch permanent absondern, dummes, nutzloses Zeug ist.

Akademisch geweihte, selbsternannte Fachleute vom Schlage einer Heike Wiese et. al. treten mit wissenschaftlich-objektiver Attitüde auf, um doch nur ihr höchst eigenes ideologisches Süppchen zu kochen: Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch: politisch korrekte Zwangssprache; Prof. Dr. Niko Paech: Klimaschutz bis zum Abwinken; Jenaer Biologie-Professoren, die sich als Antirassisten aufspielen und um Kopf und Kragen plappern; u. v. a. m. Mit Schülern, die nicht die Landessprache verwenden wollen, haben sie eines gemeinsam: Sie werden von niemandem außer ihresgleichen verstanden - und möchten es auch gar nicht anders. Wie eine Funktionärin der Wissenschaftler-Gewerkschaft, die vor Kurzem dozierte, die GEW sei zwar eigentlich irgendwie gewissermaßen nicht gar so übermäßig von Vollverschleierung in der Schule begeistert, aber ein Verbot sei falsch (vermutlich weil man sich auch beim Biertrinken einen Kartoffelsack überstülpt). Vielmehr müssten die Schulen „im Dialog bleiben“. Recht hat sie: Genauso verwerflich ist es, zu verbieten, dass Waffen in die Schule mitgenommen werden, im Unterricht am Schlaufon rumgedaddelt wird und auf dem Schulhof jüdische Kinder (natürlich mehrsprachig) beleidigt und angegriffen werden - immer schön im „Dia“log bleiben (natürlich mehrsprachig). Nichtsdestoweniger erscheint es ratsam, den Betreffenden im religionsinduzierten Mummenschanz ein Wahlpflichtfach anzuempfehlen: Werte und Normen.

So reden wir allesamt aneinander vorbei, jeder in seinem kleinen Wald-und-Wiesen-Weltbild befangen, und hören nur das, was darein gehört, wie in Johann Peter Hebels Geschichte von dem Deutschen, der in Amsterdam die Einheimischen fragt, wem dieses prächtige Haus und jenes reich beladene Handelsschiff gehören und wer gerade zu Grabe getragen wird, und immer denselben Namen erfährt. So geht er zufrieden, weil bestens informiert von dannen. Der wiederholt genannte, scheinbare Name aber lautete: Kannitverstan.

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